Als ich den Titel der Blogparade von Sara Menzel-Berger las „Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt“, fiel mir prompt Pippi Langstrumpf ein. Und da es bekanntermaßen keine Zufälle gibt … präsentierte mir Skoobe ein paar Tage später das Hörbuch dazu. Die nächsten Nähstunden erlebte ich nochmal wunderbare Abenteuer mit Pippi, Annika, Herrn Nilsson und all den anderen Figuren aus diesem Kindheits-Begleiter. Währenddessen dachte mein Unterbewusstsein weiter am Thema herum. 

Warum wollte ich lieber doch nicht über Pippi einsteigen? WAS störte mich daran? Ich googelte das Zitat – da war er, der Unterschied. Pippi spricht von sich, vom ich – Sara von „wir“. Das greift deutlich tiefer.

Frauke Schramm Social Media Mutmacherin Blogparade wir machen uns die Welt Titelbild

WIR machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.

Kleiner Unterschied. Entscheidender Unterschied. Denn dieses „wir“ – das fasziniert mich schon länger, dieses kleine, wundervolle Drei-Buchstaben-Wort.  

Wir – woraus besteht dieses wir? Tja, Du und ich – wir sind schon zwei, und damit ein wir. Alle, die an dieser Blogparade teilnehmen, sind ein „wir“. „Wir“ ist es immer, wenns mehr wie eine Person ist. 

 „Eigentlich“ ist wir also sehr umfassend, ist es jede Gemeinschaft, jede Gruppe, jede Gesellschaft. Um all diese „wirs“ geht’s aber nicht – also war die nächste Frage: wer ist wir?

Ok – erst mal: wer gehört denn nicht dazu? 

Mal wieder war der einfachste Weg zu einer genaueren Bestimmung erst mal die Antwort auf die Frage: wer gehört nicht zu diesem WIR, über das ich hier schreiben will? Meine vorläufige Antwort: „Alle die, das Gestalten nicht als ihre Aufgabe / Herausforderung / Chance ansehen.“
(spontan von Hand aufgeschrieben – kennst Du das, dass Du Sätze raushaust und Dich DANN wunderst, was Du da geschrieben hast? So geht’s mir mit diesem Satz …).

 Puuuhhhh. Ok – dann ist mein „Wir“ für diesen Artikel vermutlich „meine“ Blase an Solo-Selbständigen, die sich mehr oder weniger kennen, die jedeR für sich ihr / sein Ding machen und trotzdem durch ein gewisses Gemeinschaftsgefühl verbunden sind. „Du bist nicht allein“ – am Anfang der Corona-Pandemie war das ein Statement, das zeigte: wir stecken da alle zusammen drin.

Wir waren alle betroffen, und es betraf fast jeden von uns auf eine ganz eigene Weise. Wir sitzen alle immer noch im Pandemie-Boot – jeder auf seinem Platz, und jeder hat in seinem Gepäck seine eigenen Themen und Dinge dabei. 2020 gestaltete jede ihren Alltag für sich um – dadurch wurde dieses Wir neu geformt. Manche traten zurück, verschwanden von der Bildfläche. Andere erfanden sich neu. Manche machten einfach weiter. Fast alle passten sich irgendwie an. Das Wir veränderte sich mit – und blieb im Kern doch ein Wir, das keineN alleine lassen wollte.

Wir alle spürten: das wird ernst. Das schöne Wort Solidarität bekam eine andere Bedeutung, wurde schwerer, ernster. Starteten wir in den ersten Lockdown noch mit einer gewissen Bereitschaft, sind wir jetzt, ein Jahr später, fast alle nur noch eines – müde.

Müde. Sooo müde.

Egal mit wem ich in den letzten Wochen und Monaten sprach, ein Thema ist überall präsent: Müdigkeit. Das Gefühl, durch zähes Watt zu gehen. Nicht vorwärts zu kommen, kein Licht am Ende des Horizontes. Immer die gleiche Aufgabe: bewältige diesen Tag. GESTALTE diesen Tag. Geht nicht? Zu müde? OK – bewältige die nächste Minute, Liebes. Nimm meine Hand – ich ziehe Dich ein Stückchen mit (hast Du vor drei Wochen für mich getan, erinnerst Du Dich noch?)

 Das ist die Aufgabe. Jeden einzelnen Tag. Like it or not, aber das ist hier nicht die Frage. Die jedeR für sich bewältigt, was allerdings leichter geht, wenn ich weiß: da draußen gibt es „mehr so Leut wie mich“, denen es ähnlich geht. Die meist nur eine Nachricht entfernt sind, um mir zur Seite zu springen.

Ein Chor? Ein Chor. 

Unser Wir ist letztendlich ein Chor, bestimmt ein eher chaotischer, in dem viele Stimmen die unterschiedlichsten Töne von sich geben. Bei allem Chaos ist eine gewisse faszinierende Harmonie da drin. Eine der Stimmen in diesem Chor (mal lauter, mal leiser, mal gar nicht zu hören) ist meine.

Jetzt werde ich konkret – wie gehe ich mit diesen Gestaltungsherausforderungen um?

 

Welche Themen haben mich im letzten Jahr (oder im Jahr 1 der Pandemie) umgetrieben? Wie bin ich damit umgegangen? Herausforderungen gab es viele. Jede Menge. Als  Selbständige bin ich das gewohnt; schon als Angestellte war ich eine eine gute Trouble-Shooterin, die das auch noch gerne machte. Der Unterschied jetzt: plötzlich war quasi nur noch Trouble-Shooting angesagt. Auch wenn das Spaß macht, wirds irgendwann anstrengend.

Ich greife drei Bereiche heraus – und danach schaue ich nochmal auf das Wir. Und was das alles miteinander zu tun hat 😉 

Die Vollbremsung März 2020 bedeutete „Plötzlich Ruhe“ – echt jetzt?

Als ich den Artikel von Susanne Lindenthal zu Saras Blogparade las, stieg in mir wieder das wohlbekannte Brummeln auf, das ich letztes Jahr schon empfand
(Auch Susanne gehört zu meinem “Wir” – verschiedene Stimmen ergeben den Chor 🙂 Ihr Artikel ist absolut lesenswert! Denn sie zieht aus der  Vollbremsung, die ihr verordnet wurde, ihre ganz eigenen Schlüsse).
  Denn während ganz viele von der Überholspur auf die Standspur gezwungen wurden … arbeiteten die meisten Kolleginnen und Kollegen, die wie ich im Bereich „Online-Business“ tätig sind, NOCH mehr. Plötzlich wollten nämlich Menschen, die „dieses Online-Dingens“ bisher ablehnten, ganz schnell online mitspielen.
(dass alle Eltern, die sich plötzlich im Homeschooling wiederfanden, diese erzwungene Ruhe auch nicht hatten – das weiß ich. Und ich habe einen sehr, sehr großen Respekt vor allen Eltern, die mittlerweile seit über einem Jahr ihre Kinder betreuen, begleiten und ihnen helfen, diese Situation zu meistern).

Wenn also über „positive Seiten des Lockdowns“ gesprochen wurde – brummelte ich vor mich hin beim Blick auf meinen übervollen Terminkalender.

Und das war meine erste Aufgabe der Gestaltung: mit diesem Zwist zwischen dem von außen erzählten „hach, herrlich, diese Ruhe“ und meinem total anderen eigenen Erleben klar zu kommen. Ich lernte (mal wieder), mich und meine Bedürfnisse hoch zu priorisieren – ein Lernprozess, der bis heute anhält.

Wenn es mir nicht gut geht, wenn meine Reserven nicht gut gefüllt sind, dann kann ich meine KundInnen nicht gut beraten. Für das Umsetzen in die Praxis kam es dann wieder zum Tragen, das Wir: in Gestalt meiner Mastermindpartnerinnen und ganz viele andere Menschen, die manchmal nur mit einem Wort, einem Satz meine Lernprozesse stützten.

Das Leben wird einsamer 

 Leben unter Corona bedeutete auch – vieles, was mir im Alltag Inseln von ungezwungener Fröhlichkeit und Gemeinsamkeit bescherte, gibt und gab es nicht mehr. Keine Treffen mehr mit Freundinnen, und wenn, jedenfalls nicht mit einer herzlichen Umarmung! Es wurde deutlich einsam(er) um mich.

Das war die nächste Gestaltungs-Aufgabe: wie gehe ich mit dieser Emotion um? Ich bin bekanntermaßen introvertiert, und an meiner Nähmaschine kann ich die Zeit total vergessen (und mich dann wundern, warum es schon wieder dunkel wird?). Aber Einsamkeit empfinde ich als zäh, bedrückend, enorm kräftezehrend. Noch dazu hat dieser erzwungene Rückzug (immer noch) kein erkennbares Ende.

Erneut wurde Selfcare wichtig, denn ohne ein paar Stunden in einer anderen Umgebung fehlt mir eine wichtige Ladestation. Für mich war eine entscheidende Maßnahme: einmal die Woche arbeite ich im CO in Esslingen. Ohne diese wöchentliche Flucht hätten mich die Wände meines ansonsten heißgeliebten Home-Office schon längst erdrückt. Das CO ist groß, jedeR hat mehr als ausreichend Platz, und das Hygiene-Konzept ist stimmig, durchdacht und gut.

Und mein Business?

 Wie schon angedeutet – wer im Online-Bereich arbeitet, hat gute Chancen, nicht direkt von der Corona-Krise betroffen zu sein. Das gilt auch für mich, und dafür bin ich sehr dankbar. Hatte ich Anfang 2020 noch die Parole ausgegeben „dieses Jahr arbeite ich verstärkt offline“, war natürlich schnell klar: das wird dieses Jahr nix. Dank meines Berufes konnte ich schnell umschwenken. Meine Angebote funktionieren fast alle online – ich konnte arbeiten, ich wollte arbeiten, ich arbeitete.

Einige Menschen landeten mit Panik im Blick bei mir. „Schnell, ich muss jetzt auch online!“ Klar helfe ich gerne. Nur funktioniert das nicht ohne ein gewisses Grundverständnis, eine gewisse Erfahrung. Die gibt es nicht über Nacht. Mit Begleitung und Unterstützung klappt das schneller. Nur: eine Lernkurve bleibt, die durchschritten werden will. In Verbindung mit dem erheblichen Stress, den viele hatten und haben, ist das durchaus eine Aufgabe, vor der ich Respekt habe.

Bewältigt haben diese Aufgabe Menschen, die „das Neue“ aktiv gestalten wollten. Wer hoffte, einfach das, was offline gut klappte, ohne Anpassung in Online übertragen zu können – der fiel auf die Nase.

Auch hier ist “Gestaltung” angesagt. Gestaltung des eigenen Auftritts, der eigenen Erwartungen, des Angebots. Ständige Überprüfung, ob hinten das rauskommt, was ich erwarte. Genaue Marktbeobachtung und schnelle Reaktionen. Ganz oft sind das keine großen Veränderungen – aber entscheidende.

Zurück zum Wir

Aus vielen Gesprächen weiß ich – was mich beschäftigte, trieb auch viele andere um. Vermutlich kann wirklich niemand von sich behaupten, „die Situation“ wäre komplett spurlos an ihm vorbeigegangen. Betrafen bis jetzt viele Themen (oder auch „Probleme“) immer nur Teilbereiche der Gesellschaft, brauchten wir diesmal ein SEHR großes Boot. In dem wir alle saßen, ausnahmslos.

Auch mein Umfeld, mein „Wir“ hockte in diesem Boot. Wir alle fanden uns vor der Aufgabe, diese neue Realität zu gestalten. So, dass sie zu uns passte. Für viele bedeutete das erst mal, das Einkommen zu sichern. Für einige wurde es verdammt eng, andere hatten deutlich mehr zu tun.  Fast alle sorgten wir uns umeinander und um uns liebe und wichtige Menschen. Da hilft oft ein kurzer Austausch, in dem ein „heute ist es doof, irgendwie“ nicht auf „jetzt reiß Dich halt am Riemen!“ stößt, sondern auf ein „ich weiß“.

Wir hatten teilweise sehr unterschiedliche Themen zu bewältigen – komplettes Berufsverbot! Homeschooling! – um die beiden extremsten Probleme zu nennen. Auch wer vor vergleichsweise kleineren Herausforderungen stand, hatte immer noch genug zu tun.

Wir gestalteten, so gut wir konnten. Wir gestalten immer noch, so gut wir können. JedeR für sich – und doch immer in der Verbindung mit und zu den anderen. Denn das macht uns Menschen nun mal aus: wir sind auf Dauer nur als „Wir“ überlebensfähig.

Und dennoch sind wir müde. ICH bin müde, und ohne „wir“ würde ich vermutlich aufgeben. Hätte ich mich schon längst in irgendeine Ecke zurückgezogen, die Tür hinter mir zugemacht und mir gedacht – ich kann nicht mehr, ich mag nicht mehr.

Müde? Ja. Alle? Vermutlich … aber nicht alle gleichzeitig.

Eins der größten Wunder ist für mich, dass solche Phasen üblicherweise nicht alle gleichzeitig treffen. Hänge ich heute durch, unterstützt Du mich. Hängst Du übermorgen durch, bin ich für Dich da. Wer grad helfen kann, tut es. Oft ist es ein Wort, ein Lächeln – es braucht nicht viel, wenn eine Grundzutat da ist: Vertrauen. Vermutlich ist das auch die geheime Basis, die uns alle trägt – das Vertrauen. Es macht aus lauter ichs ein WIR, und das ist stärker als die Summe der ganzen Ichs.

Das WIR gewinnt

Mein Fazit aus einem Jahr Pandemie: Das WIR gewinnt. Ich bin unendlich dankbar dafür, mich nicht einsam und alleine durch diese Zeit bewegen zu müssen. Dass es da draußen KollegInnen gibt, die das WIR ebenfalls über den Egoismus stellen. Dass Hilfe keine Floskel, sondern etwas sehr Konkretes ist (ich spreche von Hilfe untereinander, nicht von staatlichen Hilfen – DIE sind hier nicht das Thema).

Für mich ist das wertvollste, schönste Erkenntnis: dass wir diese Gestaltungsaufgabe meistern werden. Irgendwie, vielleicht mit blauen Flecken oder so.
Und: das WIR ein Schatz, der gehegt, gepflegt und geschätzt werden will. In der Pandemie. Und erst recht danach. Das haben wir uns dann mehr als redlich verdient. 

Frauke Schramm Social Media Mutmacherin Blogparade wir machen uns die Welt Das Wir gewinnt

Danke, Sara!

… dass Du diese Blogparade an den Start gebracht hast. Es war für mich unglaublich erhellend, mir darüber so meine Gedanken zu machen.
Wenn Du.  liebe Leserin, lieber Leser, noch mehr Gedanken zum Thema “Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt” lesen möchtest – bitte schön, hier findest Du noch mehr Artikel dazu (in den Kommentaren).

Und wie immer: was meinst Du dazu? Wie ergeht es Dir mit der Gestaltungsaufgabe “Business in einer Pandemie?” Das Kommentarfeld gehört Dir:

Frauke Schramm