Es ist der 21.12.2024. „Eigentlich“ ist das einer meiner ganz persönlichen Feiertage – Wintersonnenwende! YES! Ab jetzt werden die Tage wieder länger – normalerweise hüpfe ich an diesem Tag mit einem leisen Lächeln im Gesicht durch den Tag.

2024 ist das anders. Denn gestern fand das Attentat auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt statt. Ich hatte mitbekommen, dass etwas passiert war und wollte mich am nächsten Tag gezielt informieren. Gestern abend freute ich mich auf einen festen Bestandteil meiner Adventszeit: „Der kleine Lord“, 20.15, ARD. Ja, wir haben ihn auch als Kaufversion, trotzdem hat es etwas „Nostalgisches“, diesen Film zu einer bestimmten, nicht von uns ausgewählten Zeit anzuschauen.

In dieser Sendung liefen mehrfach Ticker mit „Eilmeldung“ zum Atttentat am unteren Bildrand. Konnte ich das ignorieren? Nein (das schafft vermutlich kaum jemand). Was mich noch mehr stresste: um 21.30 – mitten im Film – wurde für eine Sondernachrichtensendung unterbrochen. Der Weihnachtsfilm wurde also durch ein Attentat in zwei Teile gehauen. Statt Schloß in England war ich plötzlich von Blaulicht und Rettungskräften umgeben.

Mir ist bewusst, dass die öffentlich-rechtlichen Sender informieren sollen und dass sie auch schon herbe Kritik bezogen haben, weil sie bei ähnlichen Ereignissen nicht im laufenden Programm reagiert haben.

Gleichzeitig frage ich mich: ist das wirklich schlau? Vermutlich um die 5 Millionen Menschen saßen mit uns vor ihren TV-Geräten. Alle wollten sie für anderthalb Stunden mit dem kleinen Cedric, seiner Mama und seinem Opa mitfiebern (nicht zu vergessen Mr. Hobbs und Schuhputzer Dick!). Wahrscheinlich ist uns allen sehr klar, dass der kleine Lord ein Märchen ist. Und wir wollten genau das: anderthalb Stunden Märchen, bitte schön.

Hat nicht so ganz geklappt. Denn sowohl der Ticker als auch die Sondersendung mitten drin sorgten dafür, dass die Märchenstimmung nicht aufkam. Tja.

Vor einigen Wochen war ich bei einem Vortrag von Dr. Volker Buch zu seinem neuen Buch „Kopf hoch!“. Unter anderem wies er darauf hin, dass wir „früher“ den Nachrichten eben nicht rund um die Uhr ausgesetzt waren. Sondern um 20.00 Uhr – danach hatten wir quasi unsere Informationspflicht erfüllt. Und konnten dann in Ruhe wohin auch immer entschwinden. Jetzt? Nachrichten around the clock – ihnen zu entgehen, ist manchmal echt schwierig, wenn nicht unmöglich. Für mich selbst habe ich schon längst die Entscheidung getroffen, Nachrichten möglichst nur zu lesen – und das gezielt. Anders halte ich diese Flut an „bad news“ (wie wir wissen, sind ja nur „bad news good news“) nicht mehr aus.

Ich habe keine abschließende Lösung dazu. Weder will ich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Informationsauftrag nicht erfüllen. Andererseits will ich auch nicht, dass Nachrichten so aufdringlich serviert werden. Eine kurze Meldung vor dem Film, eine dezente Einblendung während des Filmes und eine Sondersendung nach dem Film hätten auch gereicht, denke ich. Und hätten mir und meinen 5 Mio Mitguckern und Mitguckerinnen einen deutlich höheren Erholungswert gegönnt. Das Attentat wäre danach immer noch passiert gewesen, die gesicherten Infos wären danach immer noch nicht reichlicher gewesen – doch wir hätten hoffentlich ein klein wenig mehr Kraft aus einer ersehnten Ruhepause gezogen. Kraft, die wir alle dringend brauchen, um mit den aktuellen Herausforderungen kompetent und souverän umzugehen.

Frauke Schramm